Auszeichnung Kategorie Pflegeheim
Den Menschen als Ganzes sehen
VN/Beate Rhomberg • 12. Mai 2025
Wenn Annemarie Lang über ihre Arbeit spricht, wird sofort klar: Für sie steht nicht nur der Körper, sondern der ganze Mensch im Mittelpunkt. Seit 2014 arbeitet die 49-Jährige im Sozialzentrum Egg, inzwischen als stellvertretende Pflegedienstleiterin.
Ihre berufliche Reise begann aber schon viel früher: Durch die Krebserkrankung ihres Bruders wuchs in ihr früh der Wunsch, in der Pflege zu arbeiten. Nach ihren ersten Jahren auf der Internen West im Krankenhaus Dornbirn und der Geburt ihrer vier Kinder suchte sie eine wohnortnähere Anstellung – und fand im Sozialzentrum Egg ihre neue berufliche Heimat.
Was sie dort von Anfang an beeindruckt hat: „Dass in Besprechungen nicht nur medizinische Themen, sondern auch die Lebensgeschichten der Bewohner eine Rolle spielen.“ Diese Sichtweise prägt ihre Arbeit bis heute. Um ihr Wissen zu vertiefen, absolvierte sie eine gerontopsychiatrische Zusatzausbildung – und entwickelte daraus ein Herzensprojekt: regelmäßige Fallbesprechungen im Haus, bei denen alle Mitarbeitenden eingeladen sind – von den Pflegekräften bis zur Hauswirtschaft. Ziel dieser besonderen Initiative ist es, die Biografien einzelner Bewohner herauszuarbeiten, sie besser zu verstehen und daraus Strategien für den Umgang im Alltag abzuleiten. „Ich erkläre, wie jemand tickt, warum er vielleicht herausfordernd ist – und was man ausprobieren könnte, um besser mit der Person zurechtzukommen. Das ist dann wie ein Rezept für den jeweiligen Menschen“, beschreibt sie ihren Zugang, der im Team auf großes Interesse stößt.
Ruhe in den Alltag bringen
In ihrer Arbeit geht Annemarie Lang es bewusst ruhig an. „Die Bewohner spiegeln das Verhalten der Pflegekräfte. Wenn ich hektisch bin, sind sie es auch.“ Besonders schön ist es für sie, wenn sich genau diese Ruhe auf das Haus überträgt – etwa wenn sie es schafft, dass mittags alle gemeinsam am Tisch sitzen. „Ich setze mich dann ruhig hin und warte, bis sich alle nach und nach zu mir setzen. Das ist für mich richtig schön zu sehen, wenn es klappt“, erzählt die gebürtige Andelsbucherin, die inzwischen in Egg lebt.
Aber auch für junge Kolleginnen und Kollegen nimmt sich Annemarie gerne Zeit. „Pflegekräfte, die direkt von der Ausbildung kommen oder bei uns ein Praktikum machen, haben oft noch nicht viel Vorstellung vom Alltag im Pflegeheim. Man muss sich an vieles erst gewöhnen und für manche ist das anfangs herausfordernd“, erklärt sie. Dadurch, dass sie den jungen Menschen die psychologischen Aspekte der Bewohner näherbringt, verstehen diese vieles deutlich besser. „So habe ich es auch schon geschafft, dass jemand im Beruf geblieben ist, obwohl er eigentlich schon aufgeben wollte. Ich nehme mir einfach die Zeit für die jungen Leute. Das liegt mir genauso am Herzen, wie die Arbeit mit den alten Menschen“, betont Annemarie Lang.